Zu Ehren von Jan Assmann - Das Palimpsest

Palimpsest nannte man im Mittelalter ein wiederbenütztes Pergament, wo die alte Tinte abgeschabt und das Pergament neu beschrieben wurde. Moderne Techniken ermöglichen es heute, den ursprünglichen Text sichtbar zu machen.

Das ist eine anschauliche Metapher, um das Wirken des vor ein paar Tagen (19.02.2024) verstorbenen Ägyptologen Jan Assmann zu beschreiben. Entdeckt habe ich diesen bemerkenswerten Forscher und Menschen auf dem Büchertisch einer Aufstellungs-Tagung vor 20 Jahren in Köln und wurde gleich ein «Follower». Ich verschlang alle seine Bücher und besuchte Vorträge in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Assmann hat unter anderem deutlich gemacht, dass jedes jüdische Gesetz einem ägyptischen Ritual in der Umkehrung entspricht und damit nachgewiesen, dass die jüdische Religion (wie auch das Christentum) eine sogenannte Sekundärreligion war, deren Fundament eine Abgrenzung zum Ägyptischen darstellt.

Assmann war sich der Brisanz seines historischen Zurechtrückens sehr wohl bewusst und ist behutsam und mit Humor damit umgegangen. So nannte er an einem seiner Vorträge sein Forschungsfeld schmunzelnd «ein Dornengestrüpp, das überdies vermint ist». Bekannt wurde Jan Assmann durch seinen wissenschaftlich fundierten Einsatz gegen Geschichtsvergessenheit und für Erinnerungskultur und wurde dafür zusammen mit seiner Frau Aleida 2018 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Für mich war die Entdeckung Assmanns und sein Begriff des «kulturellen Gedächtnisses», der Beginn einer grossen Forschungsreise in jene Menschheitsgeschichte, die vor ein paar Millionen Jahren in Afrika begann. Auf der gerade ans Licht kommenden „paläogenetischen Pergamentrolle“ erschien ein Bild unserer Urahnen, das nach einer Korrektur der hergebrachten Vorstellung rief. Dies neuen Erkenntnisse und die Betrachtung unseres naturdialogischen Wirkens auch unter diesem Aspekt habe ich in meinem Buch „Urmensch-Feuer-Kochen“ festgehalten und hat unsere Arbeit in Therapie und Beratung in der Natur massgeblich geprägt.

Ich schreibe diese Zeilen im dankenden Gedenken an Jan Assmann und im Wünschen, dass sein Werk und Wirken fortbestehen.