Dankbarkeit Peter Kessler

Buena Vista Social Club im Hintergrund; eben endet einer der Songs in lateinischem Schmelz. Gestern hat mir Balkan Musik über den etwas tristen Morgen in den Tag verholfen. Es hängen ja allerhand C-Wolken über unserem Himmel, oben, unten und auch drüben über der Grenze. Überall.

Wobei ich ja als Risiko-Person im 85. einen Vorsprung habe. Die junge Nachbarin geht für Verena und mich einkaufen. Mit meinem Geh-Handicap bin ich sowieso weitgehend ans Haus gebunden. Ich kenne also den Lock-Out. Down bin ich meistens nicht, da ich von Vielem profitieren kann. Von mehr Freiheit, mehr Zeit für Vernachlässigtes, auch für Ungewolltes. Und für viel Erlebtes.

…….Langsam!

Jetzt merke ich, dass mich die Cubanos nicht zum Schweigen kommen lassen. Damit wollte ich doch meine Geschichte beginnen, schweigend. Gute Stories, ob vom Jetzt, vom Bisherigen oder über Kommendes ……. Jetzt endlich Stille, bitte. Drei tiefe Schnäufe, einfach ein, aus, ein, aus.

Frühe Jahre in USA, dann viel Lateinisches, meine erste, früh verstorbene Frau Dorita war Argentinierin, später gut Schweizerisches -Verena ist vom Alpstein- und langjährige freundschaftliche Erfahrungen mit Cito und Habiba haben aus mir einen Esalener gemacht.

Dort traf ich Bruder David, welcher mir jetzt, mitten im C-Gschtürm, mit seinen Gedanken zur Stille verholfen hat. Zuerst war meine Reaktion Abwehr: als ehemaliger «Salaryman» war ich doch lange gewohnt, bei «Change», und hier ein Mega-Change, zuerst mal richtig den Motor anzustellen. Und nicht ins Schweigen zu gehen.

Da heute Flexibilität angesagt ist, habe ich seinen Vorschlag ausprobiert. Und daraus ist eine weniger aufgeregte Haltung zum dominierenden Jetzt erwachsen.
Ein neues Geschenk, eine neue Möglichkeit ist mir gegeben im Umgang mit den drohenden Wolken hier und drüben. Sowie ich es mit Cito am Feuer in einem zweitägigen Vision Quest erlebte, wird bei stillem Zuhören doch ein altersgerechter Anruf vernehmbar. Im Aussen wird Unterstützung an vielen Orten möglich für den daheim bleibenden Elder, zuhause klopft das Vergangene im jetzigen Jetzt an, und sucht nach Erledigung, Synthese und Feier.

Fotos helfen mir, dem Vergesslichen, Unvergessliches wieder auszugraben. Das geht von der langjährigen Pfadizeit, über Militärdienst zu Aufbruch zu Ungewohntem, wie Auswanderung nach USA mit dem Abenteuer der Arbeitslosigkeit des Neulings in fernen Landen. Heimgekommen bin ich dann mit Dorita aus Buenos Aires. Damals nichts Alltägliches. Mit bitterer, gemeinsamer Leidens- und Sterbenserfahrung Jahre später. Die Töchter in der Adoleszenz waren noch mehr betroffen. All diese Erlebnisse von Abschied, Zusammenbruch des Zuhauses, des Verlassen-Werdens, wollen nochmals durchlebt und abgerundet werden. Im Sinne von Schritten zum Werden und Reifen.

Jahre später endete dann mein road-trip mit Cito, vom oberen Zürichsee ausgehend, in Merlischachen am Vierwaldstättersee. Auf dem andern Ufer liegt Horw, wo sich mein lateinischer Lebensabschnitt manifestiert hatte. Merlischachen, dort liegt eine Villa am See, wo meine jahrelangen Träume eines Swiss Esalen deponiert sind. Immer noch.

Jedoch habe ich in Kempraten andere Wege gefunden, diesen Traum, diesen Ruf, weitgehend in Erfüllung zu bringen. Sangha, neues berufliches Wirken in Lifedesign, Mitarbeit bei Dankbar-Leben, Gestaltung der Alternszeit, Sorge um die kleine und grosse Welt um mich herum. Nichts verlockt mehr zur grossen Meeresschifffahrt, zur ausgebliebenen Reise um die Welt. Das Jetzt ist spannend, traurig, herausfordernd und mehr. Und was von der Wildnisschule, von der Psychologie, dem täglichen Leben, von Abschieden und Geburten der Grossenkel gelernt, kommt mir wie ein «golden nugget» vor. Auch wenn dunkle graue Wolken manchmal drohen. Dann nehme ich die «Los Fronterizos» oder dann die «Appenzeller Zäuerli» hervor und bleibe im Jetzt. In grosser Dankbarkeit, dass es Dich, mich und alles Andere gibt.

As­­í es la vida. Graçias a la vida.