Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Anfangs des 19 Jahrhunderts erreichte das Buch „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ der Österreicherin Maria Treben eine Auflage von 8 Millionen. An ihrer Sachkundigkeit betreffend Heilpflanzen gibt es jedoch auch Zweifel. So meint die Stiftung Warentest, dass Maria Treben den Zucker Inulin mit dem Hormon Insulin verwechselte, wodurch sie fälschlich Löwenzahn gegen Diabetes empfehle. Auch ihr Ratschlag, Ohnmächtigen einen Esslöffel Schwedenbitter einzuflößen sei lebensgefährlich, und ihr Schöllkraut-Rezept sei „eine Anleitung zur Vergiftung“

Nun sind ja viele Heilpflanzen, wie beispielsweise der Eisenhut, giftig, und es ist nur die Dosierung, die Heil von Unheil unterscheidet. Und wenn diese Geschenke aus „der Apotheke Gottes“ missbräuchlich genutzt werden, wie beispielsweise der Tabak, schlägt die Natur zurück. Das Tabakblatt war der nordamerikanischen Urbevölkerung eine heilige Pflanze für Ritual und Heilung. Von den Kolonisatoren im 17. Jahrhundert nach Europa eingeführt und vorerst nur als Heilpflanze angebaut, entwickelte sich der industrialisierte Tabakkonsum zu einer Epidemie, die heute jährlich viele Millionen Todesopfer fordert.

In der afrikanischen Orixá-Tradition, von denen wir schon die Meeresgöttin Yemanjá im vorangegangenen Blogbeitrag kennen lernten, gibt es auch Ossain. Über diese Naturkraft wird unter anderen die folgende Geschichte über Ossain erzählt: „Nach langer Lehr- und Erfahrungszeit kannte Ossain alle Blätter, Säfte und ihre Heilkräfte. Er begann, Blätter oder Kräuter weiterzugeben, und bat dafür immer um eine kleine Gegenleistung, zum Beispiel ein Essen. Mit einem dieser Blätter machten die Menschen dann ein Vermögen, und bald vergassen sie Ossain und letztlich auch das eigentliche Blatt. Ossain wurde zornig und schickte nun auch viele Blätter, die krank machten. Und erst als die Menschen sich daran erinnerten und ihn wieder zu ehren begannen, was zu ehren ist, erst dann konnte Gesundheit einkehren“.

Wir haben schon in einem früheren Blogbeitrag darüber berichtet, dass im Muotatal (wohin unsere nächste Studienreise führt) die verkohlten Reste von Johanniskraut in einer 12‘000 Jahre alten Fundschicht gefunden hat und dass dies ein Hinweis darauf sein kann, dass schon die ersten Alpenbewohner von der Wirkkraft dieser Heilpflanze wussten. Das Johanniskraut gehört zu jenen Heilpflanzen, deren Wirkung klinisch nachgewiesen wurden und von der Schulmedizin als Heilmittel anerkannt ist. Wie auch die Brennnesselwurzel (siehe Bild), deren Wirkung ich am eigenen Körper erfahren kann, wurde doch durch die Einnahme dieses Naturmittels mein Prostataleiden nicht nur im in der Entwicklung gestoppt, sondern sogar rückgängig gemacht, wodurch die nächtlichen Pinkelgänge überflüssig und ein ejakulationsfeindlicher chirurgischer Eingriff unnötig wurden.

Das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen ist so alt wie die Menschheit – ja noch älter! Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts konnten vor kurzem eine Selbstbehandlung einer Wunde mittels einer Heillpflanze bei einem Wildtier feststellen. „Bei der täglichen Beobachtung der in der Gegend lebenden Orang-Utans fiel uns auf, dass der männliche Orang-Utan Rakus eine Gesichtswunde erlitten hatte“, sagt Isabelle Laumer, Erstautorin der Studie. Drei Tage später observierten die Forschenden Rakus dabei, wie er einzelne Blätter einer Pflanze zerkaute. Wiederholt trug er die Flüssigkeit, die dabei entstand, auf seiner Wunde unterhalb seines Auges auf. (National Geographic, Mai 2024)