Samstagmorgen 9 Uhr in Oberschan: ein halbes Dutzend Metallöfen stehen im Garten von Huldi. Er hat zu einem Pflanzenkohlenevent eingeladen. Obwohl ein eisiger Wind weht, lässt Huldi seine zehn Gäste sich erst mal vorstellen, bevor das erste Feuer entzündet wird. Da sind Solarexperten, Baubiologinnen, Brandschutzspezialisten, Gärtnerinnen. Huldi meint, wenn die Polizei auftaucht, sollen wir schnell eine Maske überziehen. Er hat alles fein säuberlich bereitgestellt; neben der Schachtel mit den Masken findet sich eine kleine Bücherauswahl nebst Lesebrille und eine Auswahl von Gründüngersamen. Die Öfen stehen in Reih und Glied, in verschiedenen Grössen, vom grössten mit einem Durchmesser von 1,2m bis zur umgebauten Konservendose. Sie sind doppelwandig, wobei die äussere Wand höher ist als die innere. Beim Verbrennungsprozess soll das im Kessel brennende Feuer Luft ansaugen, die zwischen den Wänden hochsteigt, sich erwärmt und in den Brennkessel fliesst. «Rauch ist ein No-Go» sagt Huldi. Das Feuer muss so heiss brennen, dass es nichts abgibt, ausser Wasserdampf. Um dieses Ziel zu erreichen, muss schon das Anzünden gekonnt sein: In den Öfen werden kleine Holzscheite kreuzweise zu einem Turm aufgeschichtet. Zuoberst kommen ein paar feine Holzspäne und Holzwolle, die nun angezündet wird. Bald brennt es in allen Öfen lichterloh und tatsächlich rauchfrei.
In den Boden eingebrachte Pflanzenkohle verbessert das Wasserspeichervermögen, bringt einen Zuwachs von Bodenbakterien, schützt gegen Pflanzenschädlinge, absorbiert toxische Bodenstoffe, verbessert die Bodendurchlüftung. Aber neben den positiven Wirkungen für Ertrag und Gesundheit der Pflanzen, kann Pflanzenkohle auch mithelfen, den Klimawandel abzubremsen, weil sie in der Lage ist, das in den Pflanzen assimilierte CO-2 für mehr als 1000 Jahre stabil zu halten und so der Atmosphäre zu entziehen.
Um eine gute Pflanzenkohle zu erhalten, muss der Verbrennungsprozess kontrolliert ablaufen. Neues Brennmaterial – Äste, Stauden, Holzscheiter – wird dann draufgelegt, wenn das vorangegangene eine weisse Farbe angenommen hat. Wenn das frische Brennmaterial brennt, entzieht es den darunterliegenden den Sauerstoff, wodurch dieses nicht mehr weiter verbrennen kann. So wird Schicht um Schicht abgebrannt. Dann am Schluss, wenn das Holz aufgebraucht, oder der Ofen voll ist, wird, wenn die oberste Schicht auch weiss geworden ist, Wasser in die Öfen geleitet, bis das verbrannte Material im Wasser schwimmt. Die nun pechschwarze Holzkohle wird mit Schaufeln auf dem Boden verstreut. Für das Zermahlen der Kohle hat Huldi eine lustige Technik entwickelt; er fährt einfach mit einem alten Rasenmäher darüber.
Zum Abschluss des Anlasses gibt es einen leckeren Kartoffelgratin, der in einer Kasserolle in der Glut einer Feuerschale gebacken wurde.
Die Herstellung von Pflanzenkohle ist eine uralte Kulturtechnik. Im Amazonasbecken, dessen Böden ja bekannterweise ziemlich humusarm sind, wurde in ehemaligen Siedlungsgebieten entlang der Flüsse eine interessante Entdeckung gemacht; fruchtbarste Erde. Wegen ihrer dunklen Farbe wurde sie «Terra Preta», schwarze Erde, genannt. Man hat herausgefunden, dass diese Erde vor mehr als 1000 Jahren von indigenen Siedlern in einem speziellen Verfahren produziert worden ist: Riesige Tontöpfe wurden als Klos benützt. Die darin angesammelten Fäkalien wurden dann mit Küchenabfällen und mit Pflanzenkohle vermischt, die Töpfe zertrümmert, das ganze durchmischt und in den Boden eingebracht. Durch Mikroorganismen und Bodentiere wurde die organische Substanz teilweise abgebaut und in die Tiefe verlagert. So entstanden bis zu zwei Meter mächtige Schichten. Es wird angenommen, dass bis zu zehn Prozent der Oberfläche des Amazonasbeckens von solcher Erde bedeckt ist. Da frägt man sich, weshalb die brasilianischen Grossfarmer denn überhaupt die Wälder abbrennen für neues Land, das sowieso in wenigen Jahren wieder ausgelaugt sein wird – die Lösung wäre doch einfach ein Zurück zur alten Pflanzenkohlenbewirtschaftung und die Feuer im Amazonasgebiet wieder nützlich statt schädlich für das Weltklima werden.