Schulbesuch nach fast einem halben Jahrhundert

Heute bin ich nach 47 Jahren wie damals in die Schule gefahren, damals war der erste Schultag im Gymnasium, ich war ziemlich aufgeregt, an das mulmige Bauchgefühl kann ich mich noch erinnern, meine Freundin und ich wurden von meiner Mutter vom Süden aus in die Schule gebracht. Heute fuhr ich selbst, in die Weinbauschule, aus dem Norden kommend in dieselbe Gegend, lediglich ein kleiner historisch von Kelten und Römern besiedelter Berg trennt die beiden Schulen. Es gab damals wie heute keine Schultüte aber der Tag war wie damals ein schöner Spätsommertag, der einlädt zum Schwimmen und Wandern, die Bäume beginnen schon leicht sich zu färben und entlang des Flusses steigen schon sanfte Nebelschwaden hoch und lassen sich rasch von der Sonne zerstäuben, es riecht nach Herbst.

Je näher die Schulgebäude kommen umso mehr engt sich das Wahrnehmungsfeld, fokussieren sich die Augen bis ich beim Eintritt in die Schule nur noch eine gezeichnete Corona-Ampel, Desinfektionsmittelständer und Warnhinweise sehen kann. Ich schreite maskiert in die Schule, gesichtslos im wörtlichen Sinne die freie Bank suchend und wieder lande ich auf der letzten Bank im Klassenzimmer. Damals, weil ich so groß war für mein Alter, heute weil ich so spät bin für diese Jungen, die hier sitzen, die mit einer Ausnahme alle meine Kinder sein könnten. Die Maske hätte mir damals geholfen mich zu verstecken, meine Aufgeregtheit zu bedecken, sie hätte mich geschützt vor den Blicken der anderen mir das Durchatmen erleichtert, mir einen eigenen Raum verschaff. Doch heute nimmt sie mir die Luft, trennt mich noch mehr von den anderen, vergrößert die Distanz und hindert mich daran über ein Lächeln, das gesehen werden könnte, in Beziehung zu treten, einen verbindenden Raum zu schaffen.

Im Klassenzimmer sitzend sprachen wir unsere Namen in den Raum, doch der Moment des in Beziehung Tretens, des die anderen Wahrnehmens ist längst vorbei, jetzt wird nur noch Information ausgetauscht, wir sind in der 0 und 1 Logik angekommen.

Foto:
Herbstwald im Toggenburg