Es schwingt

Eine wärmende Spätsommersonne erhellt den hohen Raum. Von draußen Vogelgesang. Ich sitze mit 19 anderen Menschen seit Morgens 9:00 Uhr in diesem Raum. Es sind nun 8 Stunden vergangen und es werden noch weitere dazu kommen, bis wir um 22:00 Uhr aufhören. Mein ganzer Körper tut mittlerweile weh vom Sitzen auf unergonomischen Gestühl. Würde ich tun, was ich an einem solchen Samstag sonst tun würde: ich wäre draußen und genösse, Sonne, Wind und Bewegung. Und dennoch: dieser Tag ist ein Geschenk! 

Und mit einem Geschenk fing auch alles an, als mir mein Mann vor fast 2 Jahren zum Geburtstag ein Cello schenkte, einfach, weil er wusste, dass ich den Klang so gerne mag. Dass Cello lernen ein Jugendtraum war, wusste er gar nicht. An diesem Wochenende hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, mit anderen gemeinsam Kammermusik zu machen. Unsere individuellen Möglichkeiten waren begrenzt, und doch gelang es uns unter der Leitung unseres klaren und einfühlsamen Lehrers Felix, am Ende zu einem beseelten Klangbild zu gelangen. 
Gemeinsam Musik zu machen ist eine Weise, miteinander als System zu schwingen. Die individuellen Verschiedenheiten treten hinter dem Gemeinsamen und der geteilten Freude zurück. Keine Musik ohne unseren Körper. Er vibriert mit dem Cello mit. Kein Klang ohne den umgebenden Raum. Keine Freude ohne das Hören auf alle anderen. Du bist sofort raus aus dem Ich-Fokus.

Wie wäre es, mehr von diesem phänomenologischen Erleben und Weben im ganzen Leben zu spüren und zuzulassen?

Foto:
Reise der Sterne, Sahara (in der Mitte der Polarstern)