Wir haben unser Tagebuch vor gut 10 Tagen eröffnet und seither flattern jeden Tag Geschichten herein, danke an alle die Erzählen, danke an alle, die lesen und an alle, die beides tun!
Heute von mir ein kurzes Zwischenbild aus der Tierwelt, mit der die Menschenwelt ja ganz sichtbar und unsichtbar einiges zu tun hat. Ob uns das passt oder nicht und wie sehr auch manche durchaus dominante Erzählstränge der Geschichte uns als Krone der Schöpfung sehen wollen, irgendwie sind wir doch auch nur symbiotische Wesen, die mit ihren Mitgeschöpfen und ihrer Umgebung ständig in Austausch sind und nach Auskommen suchen. So auch mit den Schwänen.
Bis vor kurzem wusste ich noch nichts von schwarzen Schwänen, zumindest nicht von solchen im Finanzsektor. Bislang waren für mich Schwäne sagenumwobene Tiere, die jedoch besonders in "Liebesangelegenheiten" Zeichen und Phänomenbringer sind (siehe weiter unten), aber nun weiss ich, dass es auch die Metapher des "Schwarzen Schwanes" rund um Phänomene im Börsenmarkt gibt. Nassim Nikolas Taleb, Professor für Risikoanalyse in New York, u.a. haben den "Schwarzen Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse" schon vor 20 Jahren ins Spiel gebracht, und damit unter anderem an die "Unberechenbarkeit des Lebendigen" erinnert.
Mit der Sturzflut der Ereignisse der letzten Monate wurden bald Stimmen laut, die auf ein "Schwarzes Schwan" Phänomen hinweisen, aber - und das war für mich eine sehr erhellende Aussage dieser Zeit - Herr Taleb führt in einem Feulliton der NZZ vom 28.3. aus, dass das, was wir jetzt erleben - also die Corona Pandemie und ihre Folgen, kein schwarzer Schwan sei sondern (wenn schon ein Schwan) dann ein weisser. Ich zitiere:
"Manche bezeichnen die Pandemie, die nun den Anstoss zur Verabschiedung des Hilfspakets für die Luftfahrtindustrie gab, als «schwarzen Schwan» – also ein völlig unerwartetes Ereignis, auf das nicht vorbereitet zu sein entschuldbar ist. Damit spielen sie auf das Buch «Der schwarze Schwan» an, das einer von uns verfasst hat. Hätten sie das Buch wirklich gelesen, dann wüssten sie, dass eine globale Pandemie dort klar und deutlich als weisser Schwan figuriert – als ein Ereignis, das mit Gewissheit irgendwann eintreffen wird. Solche Pandemien sind unvermeidlich, sie resultieren aus der Struktur der modernen Welt; und ihre wirtschaftlichen Folgen werden noch gravierender infolge der zunehmenden Verflechtung und der übertriebenen Optimierung."
Moment.
Tief durchatmen.
Nachdenken und ganz körperlich begreifen, was die meisten von uns ohnedies wissen:
Pandemien sind unvermeidlich.
Sie gehören zu unserer Welt, so wie wir sie zur Zeit, beleben, bevölkern, bedenken, berechnen, bewirtschaften.
Ich frage mich: wird das in den Schulen gelehrt? Wird das in aller Ruhe und aller Deutlichkeit erzählt und wird in diesen Schulen und Universitäten dazu eingeladen, darüber praktisch nachzudenken, was das heisst und welche Formen es nun gibt, mit dem umzugehen?
Pandemien sind ein wahrscheinlicher und vorhersehbarer Teil unserer gegenwärtigen Lebens- und Weltenorganisation.
Sie sind weder besonders noch aussergewöhnlich.
Wenn sie weder besonders noch aussergewöhnlich sind, dann gehören sie wohl dazu, um nicht zu sagen, sie sind normal?
Wenn ich das ganz ruhig in mich einatme, was ich glücklicherweise noch kann, dann schwant mir vieles, nicht nur Böses, nicht nur Gutes.
PS: Übrigens hat der Coop mittlerweile die schwarze Folie von seinen Regalen entfernt;-) und zur Kontrolle der Käuferzahlen stehen jetzt Menschen mit einem Smartphone in der Hand, die - ich vermute - mitzählen. Desinfektionsmittel gibt es noch immer gratis und sein Gebrauch ist immer noch freiwillig.
PPS: Schwäne sind wirklich besondere Wesen. Jedenfalls - ganz ehrlich - haben zwei Schwäne vor knapp dreissig Jahren dazu beigetragen, dass Cito und ich uns auf einen langen gemeinsamen Weg eingelassen haben. Wir kannten uns erst einige Monate und wir haben uns am Bodensee getroffen. (Damals waren die Grenzen offen, darum durfte ich als Österreicherin in die Schweiz einreisen, was grad aktuell nicht möglich wäre.) Es lag etwas Bedeutungsschwangeres in der Luft, wir haben beide wortlos auf den See geschaut. Dort sind bestimmt allerhand Boote und Bötchen, Enten und Schäne unterwegs gewesen, aber irgendwie haben wir beide - ohne es zu wissen - selektiv auf zwei scheinbar aufeinander zuschwimmende Schwäne geschaut. "Was machen die beiden wohl?" haben wir uns gefragt. "Werden sie abdrehen, einander kreuzen, einander treffen, miteinander weiterziehen?". Wir und die Schwäne hatten unausgesprochen ausgesprochen viel miteinander zu tun. Es war natur-dialogisches Zeichenlesen in Reinform, dass uns hier ergriffen hat. Und es war denn "wirklich" so: von unserer Perspektive aus, haben diese beiden Schwäne einander getroffen und sind miteinander weitergezogen. So kann es einem gehen, wenn man Schwäne beobachtet;-)
PPPS: Ein herzliches Danke an Robert, der just als mir die Schwanidee kam, in seiner Aktion "Feuerzeit" Schwanfotos geschickt hat. Der Titel war übrigens "Geheimsam". Die unendlichen vielen kleinen und grossen Zeichen von unerklärlicher Verbundenheit gelten ja auch für die Welt zwischen Menschen;-)