Mein 4-jähriger Sohn ist ein Waldkind. Seit knapp einem Jahr besucht er an 2 Tagen die Woche die Waldkrippe. Rund 12 Kinder zwischen 2 und 5 Jahren verbringen dort einen ganzen Tag unterwegs im Wald. Sie treffen sich in Kreisen, spielen was und wie sie wollen, kochen am Feuer und halten Mittagsschlaf im Schatten der Bäume – oder bei schlechtem Wetter in einem Bauwagen am Waldrand. In einer der ersten "Corona-Infos" vom Waldteam hörte ich den Satz "Der Wald hat kein Corona". DAs war bezogen auf die beginnenden Massnahmen des Abstandhaltens und wohl auch darauf, dass die Ansteckungsgefahr im Wald geringer sei als in einem räumlich beengten Klassenzimmer. Da es im Wald kein warmes Wasser aus dem Hahn gibt, haben sich alle zu Tagesbeginn die Hände desinfiziert, um die ÖV Viren loszuwerden. Den Rest des Tages sind die Hände von Waldkindern permanent in Kontakt mit Erde, Steinen, Sand und Blättern.
Die Waldkrippe hat immer noch geöffnet. Der Kanton hat sich verpflichtet die Kinderbetreuung für berufstätige Eltern aufrecht zu erhalten. Eine Woche lang durfte Ben nicht hin, da er Husten hatte – eine stinknormale Rotznase. Es war ihm gar nicht recht, dass er wegen dem "bisl schnodder" nicht in den Wald durfte. Mir auch nicht. Ich würde einen "Bam aufstön" (Anm. österreichisch für einen Baum aufstellen, sich wehren) wenn die Waldkrippe geschlossen werden sollte.
Jedenfalls sind die Menschen regelmässig erstaunt, wenn ich erzähle, dass Ben weiterhin in die Krippe geht. Manche, die viel Angst haben denken wohl, dass ich eine sorglose Mutter bin. Andere, die sehr folgsam sind, denken vielleicht dass die Krippe doch zusperren müsste. Wieder andere haben sich immer schon gewundert, dass ich gerne arbeite obwohl ich doch ein Kind habe. Soweit wenig überraschend. Interessant wird es jedoch, wenn ich in diesen Gesprächen dann erkläre, dass Ben's Krippe im Wald ist. Aus den skeptischen Stimmen und Gesichtern wird dann "Aahh" und "Ach soo", gefolgt von verschiedenen Erklärungen. "Im Wald ist es ja besonders gesund". "Bäume haben doch diese antiviralen Stoffe". "Ja die Natur, das ist schon das Beste fürs Immunsystem". "Genau. Dort können sie sich ja frei bewegen" …und ähnliches. Die Menschen scheinen sich einig zu sein, dass der Wald ein guter Raum ist, um gesund zu bleiben, um artgerecht zu lernen und in Krisenzeiten ein sicherer Ort.
Die Kindergruppen im Wald sind deutlicher kleiner als üblich. Einige Kinder bleiben zu Hause und von den Älteren aus Kindergarten und Schule (die üblicherweise auch im Wald stattfinden) kommen nur wenige Kinder in die Tagesbetreuung. Aber…es gibt jeden Tag eine Gruppe. Jeden Tag neu gemischt und auch die Zusammensetzung der Betreuungspersonen wechselt. Bisher waren es immer mindestens 5 (eine Art Umkehrregel). Vor kurzem kam wieder ein Mail vom Waldteam. Ein Gruss an alle Kinder die momentan nicht kommen und auch an alle Eltern. Und die Idee, dass man einander Grüsse im Wald hinterlassen kann. Denn praktisch jeden Tag treffen sich Kinder und Grosse dort am Waldrand bei einer bestimmten Stelle, um sich zu begrüssen und um den Wald zu begrüssen. Der Wald ist Teil des Kreises, er erinnert sich, an alle die schon hier war, an alle die immer noch kommen und an alle die wiederkommen werden. Und die Idee, dass dieser Kreis die Beziehungen zueinander aufrecht hält und weiter trägt finde ich richtig schön.
Fotoquelle: http://www.waldkinder-sg.ch