Lieber Franz
Deine Kommentare zu meinem Beitrag über das Alpenschwein haben mich sehr gefreut. Den Eber als heiliges Tier der germanischen Völker beschreibst du als urig, mit seinem Geruch, seinem Schaum vor dem Mund und das Grunzen und erwähnst, dass der Eber auch in den indischen Mythen eine Rolle spielt, wo er als dritte Inkarnation Vishnus durch Wühlen im Schlamm die Erde hervorbringt. Die Inder und die Germanen sind ja dasselbe Volk und die Idee eines heiligen Ebers ist wahrscheinlich mit den indogermanischen Kurganreitern nach Europa gekommen. Aber wie schon gesagt, waren im alten Europa, d.h. dem Europa vor dem Einfall der Kurgangermanen die einheimischen Schweinerassen schon domestiziert
Zum Alpenschwein erzählst du die Geschichte eines Besuches auf einem Betrieb, wo vor Jahren ein "Unfall" in der Freilandschweinehaltung passiert ist. Ein Wildschweineber ist über den Elektrozaun gehüpft. Der Landwirt war eigentlich ganz begeistert von der Nachzucht. «Das erste Mal, wo eine Sau nicht ihre eigenen Ferkel erdrückt hat», hat er gesagt. Die heutigen Schweinerassen haben offensichtlich komplett ihr eigenes Körpergefühl verloren. Ich glaube deswegen hat man auch die Anbinde- bzw. Käfighaltungen erfunden. Wildschweinkreuzungen kann man aber nicht vermarkten, zu fett....
Betreffend meinen Äusserungen zur Einstellung der muslimischen Welt gegenüber dem Schwein schreibst du: Ehrlich gesagt zum Islam hatte ich immer gemischte Gefühle. Ich habe ja lange Zeit Schafe gehalten. Da kam eines Tages die zwangsverordnete Impfung der vermeintlichen Blauzungenkrankheit. Ich musste meinen Widder anbinden, damit sich die Tierärztin auch reintraut. Das hat er mir nie verziehen und wurde unglaublich aggressiv gegenüber Menschen. Schlachtung war die einzige Lösung. Türken der 2. Generation kamen. Der Widder reagierte heftigst und brach einem jungen Türken die Rippen. Sie haben dann gesagt, sie kommen morgen wieder und nehmen auf jeden Fall den Imam mit. Ich dachte nur, die spinnen... Naja, ich wurde eines Besseren belehrt... Der Imam ging in den Schafstall, sang und sprach Gebete, der Widder folgte ihm einfach so und liess sich schlachten, als ob es sein innigster Wunsch wäre. Ich war derart verblüfft, erstaunt wie noch nie. Ich hatte diese Geschichte einmal einem Serben erzählt, der hat gesagt, ja die Großmutter hat auch immer den Stier mit Blumen geschmückt und besungen bevor er geschlachtet wurde.
Dann meinst du weiter, dass du glaubst, auch nichtmuslimische Menschen würden weit weniger Würste essen, wenn sie schon jemals selber Därme geputzt hätten, mit gespaltenen Haselnusszweigen und tagelang in Knoblauchwasser...... Und dann erinnerst du dich als ehemaliger Schweinebauer auch an die unzähligen Male, an denen du Schweine auf den Transport-LKW des Schlachthofes getrieben hast: Schweine sind halt recht intelligente und kreative Tiere. Man musste ihnen immer mit lautem Geschrei viel Angst machen und ihnen auf jeden Fall mit Planken die Sicht auf die Freiheit versperren und sie mit gewohnter Umgebung (d.h. Stroh streuen) auf den LKW locken. Mein Vater sagte immer, wenn die Tiere wüssten wie viel Kraft sie haben, wir hätten keine Chance gegen sie...
Der hinduistische Mythos, wo Vishnus in der Form des Ebers durch Wühlen im Schlamm die Erde hervorbringt deutet ja auch darauf hin, wie gut es der Erde tut, wenn die Wildschweine sie aufwühlen, ganz im Gegensatz zu den Kühen, die – weil viel zu schwer – auf unseren Bergweiden zu Bodenerosion führen. Allerdings entspricht diese hinduistische Schöpfungsgeschichte nicht der terrestrischen Wirklichkeit; der Planet «Erde» war zuerst mal eine Steinwüste, und erst als das Wasser dazukam, konnte sich Leben entwickeln. Und aus diesem Leben – genauer gesagt, aus einem zyklischen Prozess eines Lebens und Sterbens - entwickelte sich in vielen Millionen Jahren unser Humus. Aus Humussicht geht die Schöpfung nicht aus einem Ursprung mit linearer Entwicklung hervor, sondern ist zyklisch. In der afrikanischen Orixamythologie wird dieser «humistische» Prozess des Werdens und Vergehens einem Orixa namens Obaluaje zugeschrieben. Deshalb schreibt man in dieser Tradtiion dieser Gottheit, weil es eben ein guter Humusgestalter ist das Schwein zu.
Der Verlust an Humus, der unserem Planeten zunehmend verarmen lässt, wird uns Menschen noch viel zu schaffen machen, wenn wir nicht bald Gegensteuer geben. Dazu hat ja Anne Francé-Harrar ein dickes Buch geschrieben mit dem Titel: «Die letzte Chance für eine Zukunft ohne Not»